Redebeitrag zum Gedenken an den Anschlag in Hanau

Ich spreche hier für ReachOut, die Berliner Beratungsstelle für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt.
Danke dass ich hier sprechen darf! Danke an die Organisatorinnen der Demo.
Wir trauern um die Opfer des Anschläge in Hanau. Und wir wollen, dass die Hinterbliebenen Familien, Freund
innen und die Überlebenden die Unterstützung bekommen, die sie brauchen.

Wir von ReachOut erklären uns solidarisch mit den Forderungen der Angehörigen, der Überlebenden und deren Unterstützer*innen in Hanau. Die Forderungen nach lückenloser Aufklärung und Forderungen nach bestmöglicher Unterstützung und natürlich auch nach einem angemessenes Gedenken nach den Wünschen der Angehörigen teilen wir.

Von den Überlebenden des Anschlags in Mölln 1992 wissen wir, dass nur ein selbstbestimmtes Gedenken angemessen ist. Nicht die Politiker*innen aus den Städten, in denen die Anschläge geschehen, sollen bestimmen, wie gedacht wird, sondern die Angehörigen und die Überlebenden selbst.

ReachOut unterstützt seit 2001 Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt. Wir dokumentieren seitdem gewalttätige Angriffe und massive Bedrohungen in Berlin. Wir beraten die Betroffenen und unterstützen sie bei der Durchsetzung ihrer Rechte, sind solidarisch und absolut parteilich an ihrer Seite.

Insgesamt mussten wir in Berlin weit über 3000 Angriffe dokumentieren. Über die Hälfte davon sind rassistisch motiviert. Über die Hälfte findet in aller Öffentlichkeit statt. Meistens kommt den Betroffenen niemand zur Hilfe.

Allein im vergangen Jahr haben wir von 390 Angriffen erfahren. Die Zahl steigt regelmäßig. Berlin ist auch im Vergleich mit den anderen Bundesländern ganz vorne.

Deutlich ist jedoch immer wieder: Wenn die Mächtigen von vollen Booten, Belastungsgrenzen, Zuvielen" reden, steigen die Angriffszahlen schneller.

Das wissen alle und trotzdem wird das immer wieder inszeniert. Die Folgen sind Anschläge, und Angriffe auf Menschen, denen ihre Zugehörigkeit aberkannt wird..

Und wir sind überzeugt davon, dass wir den Rassismus auf der Straße nur dann wirksam bekämpfen und die Betroffenen nur dann wirksam unterstützen können, wenn wir vom Rassismus in den Institutionen und Strukturen nicht schweigen.

Wir werden den hetzenden und prügelnden Rassistinnen, den Rechtspopulisten der AfD und auch denjenigen in den anderen Parteien und in den Behörden, die nur zu gerne rassistische und populistische Positionen lautstark oder auch ganz selbstverständlich vertreten und durchsetzen, nicht die Straße, nicht die Medien und nicht die Definitionsmacht überlassen! Wir werden den verbalen Brandstifterinnen, auch in Zukunft entgegentreten. - Überall radikal, entschlossen und solidarisch.

Wir können die Angriffe, die Morde in Hanau, die Anschläge in Neukölln und anderswo nicht ungeschehen machen. Den Betroffenen, ihren Angehörigen, ihren Freund*innen wird das, was passierte immer im Gedächtnis sein.

Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass die Erinnerung an die Opfer und an das, was ihnen geschehen ist, öffentlich wird. Niemand darf vergessen werden! Wir brauchen an jedem Ort unabhängige Initiativen , die ein Gedenken organisieren.

Ich ende mit einem Zitat auf dem Plakat-Aufruf zum Tribunal NSU Komplex auflösen:

"Rassismus findet überall statt. Wer ihn bekämpfen will, muss denen zuhören, die ihm täglich ausgesetzt sind."

[Die Rede wird von einer Mitarbeiterin von ReachOut bei dem Gedenken am 19. August 2020 um 18.00 Uhr in Berlin-Neukölln unter dem Motto _ Kein Vergessen: Hanau - Gedenkdemo in Berlin_ gehalten.]

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